MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Donnerstag, 27. Dezember 2012

Die Universität Köln, Teil 3: Die Universitäts- und Stadtbibliothek, Rolf Gutbrod 1960 - 67

Brutalism
Brutalism
Brutalism

Form und Farbe erzählen uns von Form und Farbe, weiter nichts, sagt Oscar Wilde. Der Satz fiel mir wieder ein als ich mir meine Fotos der Bibliothek ansah, die Rolf Gutbrod für die Universität Köln entworfen hat. Dabei müsste man den Satz um den Aspekt des Materials erweitern, denn selten hat man so sehr das Gefühl, dass das Material in seiner Farbe und Form so direkt und absolut zur Geltung kommt wie hier. Gutbrod treibt das Raue des Brutalismus auf die Spitze und erhöht es sogar noch, indem er die groben Betonoberflächen in Kontrast setzt zu glatten, matten und glänzenden, sogar spiegelnden Elementen wie Aluminium, Glasbausteinen und dem Wasser des künstlichen Sees, der die Bibliothek mit dem Hörsaalgebäude verbindet.
  
Brutalism, Cologne

Nichts wird hier versteckt oder kaschiert, es regieren einzig die Materialien in ihren charakteristischen Eigenschaften und Farben. Was die Formen betrifft, so gelingt Gutbrod seine typische Mischung aus strenger Funktionalität und bildhauerischer Phantasie. Er inszeniert den Weg des Besuchers vom Dunklen, Höhlenartigen des Eingangs, wo innen und außen durch die Plastizität der Betondecke eine Einheit bilden, über zwei gegenläufige Treppen ins lichte Filigran der Lesesäle. In den Räumen, deren Wände beinahe vollkommen aus Glasbausteinen bestehen, korrespondieren die Bücherregale mit der Komposition der Fensterrahmen und auch hier besteht über die in den Saal hineinragenden Glasbausteinwände ein fließender Übergang zwischen innen und außen. Weit oberhalb des Geschehens blicken vogelartige Figuren durch die Dachfenster hinüber zum Hörsaalgebäude, das mit seinen schnabelförmigen Wasserspeiern und seine Fassaden, die an ausgebreitete Flügel erinnern, die Vogelmetapher fortsetzt und variiert. Und auch die Fassade der Bibliothek mag man als abstrahierte Fortsetzung der Bücherregale deuten.

Brutalism, CologneBrutalism, Cologne

Samstag, 22. Dezember 2012

Die Universität Köln, Teil 2: Die Philosophische Fakultät, 1974




Den behutsamen Umgang mit Betonoberflächen hat man sich an der Universität Köln nicht unbedingt auf die Fahne geschrieben. Das Gebäude der Philosophischen Fakultät streicht man zur Zeit mit einer zähen, dickflüssig-verputzartigen grauen Farbe an, die die gesamte Komposition aus Zähnen und Rippen in stumpfe Sterilität taucht. Das Fakultätsgebäude aus dem Jahr 1974 gehört wie das Hörsaalgebäude von Rolf Gutbrod zu dem dreiteiligen Ensemble, das sich entlang der Universitätsstraße gruppiert und seinen oberen Abschluß in Gutbrods Bibliothek findet. Versucht man im Internet irgendetwas über die Philosophische Fakultät herauszufinden, so liest man lediglich von der allgemeinen Verachtung dem Gebäude gegenüber und selbst der Architekt wird nirgendwo erwähnt. 


Das „Staatliche Hochbauamt der Stadt Köln“ steht da als einziger Verantwortlicher für Aussagen wie: 

 „Das Philosophikum ist der Höhepunkt der architektonischen Unsinnigkeiten, die an der Universität zu Köln vorherrschen. 1974 wurde es als quasi letzter Bau fertig gestellt, was die Leute damals zu diesem Monstrum getrieben hat, man möchte es vielleicht gar nicht wissen. (…) Es gibt das Gerücht, dass das Philosophikum damals sogar Architekturpreise gewonnen hat. Wer das bestätigen kann, möge sich bitte bei mir melden, ich würde gerne meine Freizeit opfern, um dagegen eine Bürgerinitiative zu starten.“

„Der Bau selber ist ein waschechter Betonklotz der den meisten Studenten ein stilistischer Dorn im Auge ist.“

„Einen Elfenbeinturm stellt man sich wohl etwas anders vor. (…) Das Philosophikum erspart der Welt jegliche Form elitären Dünkels. Das ist aber auch vielleicht schon alles, was man positives über dieses Gebäude sagen kann. Man könnte auch mit Recht behaupten: das Philosophikum ist hässlich.“ (Link)

Brutalism

Wie vielfältig die menschliche Wahrnehmung doch sein kann. Als ich das Gebäude vor zwei Jahren zu ersten mal sah, war ich begeistert von der brachialen Eleganz und Strenge der Fassade und von der Licht- und Schattenwirkung der breiten Betonstreifen, die ihr einen coolen Rhythmus verleihen. Zudem fand ich die Herangehensweise des unbekannten Architekten sehr schön, ein ganz typisches Motiv Rolf Gutbrods aufzunehmen und auf dessen Basis sowohl den Grundriß als auch die gesamte Fassade zu gestalten. Beinahe wie eine Signatur integriert  Gutbrod in viele seiner Gebäuden eine Art breiten Streifen, der kurz vor seinem Ende einen Knick aufweist. Diese Streifen kommen als Treppengeländer oder Simse daher, als Vordächer oder in manchen Fällen sogar als Grundriß. War Gutbrot am Ende etwa doch am Entwurf der Philosophischen Fakultät beteiligt? Betrachtet man die obersten Stockwerke des Hahn-Hochhauses in Stuttgart, ist zumindest eine Verwandtschaft der Formen nicht von der Hand zu weisen (Link). Auch die Fassade des Flughafen Köln-Bonn von Paul Schneider-Esleben mag einem angesichts der Philosophischen Fakultät in den Sinn kommen.  

Brutalism

So wie das in der Mitte gelegene Hörsaalgebäude nach Süden durch ein Wasserbecken mit der Bibliothek verbunden ist, so ragt nach Norden hin ein Brücke auf die Philosophische Fakultät zu und endet in einer spektakulär skulpturalen Betontreppe.

Brutalism

Es ist sehr schade, dass bei der Sanierung des Gebäudes ein Gefühl für Oberflächen und Farben und für das Zusammenspiel des durch die Bäume flirrenden Lichts mit den verschiedenen Grautönen des rauen Betons offensichtlich nicht von Bedeutung ist. Trösten kann man sich mit der Tatsache, dass zumindest beim dritten Gebäude des Arrangements, der Bibliothek, die Schönheit der Betondecken zur vollen Wirkung kommt. Davon soll der dritte Teil meiner Serie handeln.

Wer jetzt ganz tapfer ist, der kann hier umblättern und sich den grauenhaften grauen Anstrich anschauen:

Dienstag, 18. Dezember 2012

Die Universität Köln - Ein Schadensbericht. Wiedersehen mit den Gebäuden Rolf Gutbrods und der Philosophischen Fakultät. Teil eins: Das Hörsaalgebäude

Brutalism

Brutalism
So schön es ist, ein Gebäude zum ersten Mal zu sehen und im Taumel der  Begeisterung alle möglichen Eindrücke in sich aufzusaugen, so schön ist es auch, nach Jahren zurückzukehren und festzustellen, daß man nun, nachdem man sich intensiv mit dem jeweiligen Architekten auseinandergestzt hat, viel mehr sieht als bei seinem ersten Besuch. Man weiß, auf welche Charakteristika man achten muß und freut sich, typische Motive des Autors nun mit nur einem Blick zu erfassen. Die Rückkehr zu einem liebgewonnenen Gebäude kann aber auch, und das ist sehr wahrscheinlich, mit Entsetzen über den aktuellen Zustand verbunden sein.

Vor zwei Jahren habe ich hier (Link) über Rolf Gutbrods Bauten für die Universität Köln berichtet: das Hörsaal- und das Bibliotheksgebäude und auch über das dem  Ensemble angeschlossene Gebäude der Philosophischen Fakul- tät, das allerdings nicht von Gutbrod stammt. Damals war ich davon fasziniert, wie sich die Seitenwände des Hörsaalgebäudes wie Adlerschwingen über dem Universitätsgelände erheben und die Raubvogelassoziation durch die markanten Wasserspeier noch verstärkt wurde. Schon vor zwei Jahren befanden sich die Betonwände mit ihren Backsteinornamenten in denkbar schlechtem Zustand und so wurde mittlerweile zumindest die Seite, die dem Neubau Paul Böhms gegenüberliegt, sorgsam in Planen und Netze verpackt.


Daß man im frisch sanierten Eingangsbereich des Biblio- theksgebäudes, das durch eine langezogene Wasserlandschaft mit dem Hörsaalgebäude verbunden ist, die für Gutbrod so typischen Betondecken nicht durch einen  Anstrich ihres Charakters beraubt hat, verbreitet ein wenig Hoffnung, wenn es um den Umgang mit den noch zu rettenden Elementen des Ensembles geht. Die Fassade der Philosophischen Fakultät allerdings ist für immer verloren. Der Irrglaube, Beton werde durch einen neuen Anstrich schöner, besteht immer noch, wobei man sich hier eines besonders zähen, verputzartigen Kleisters bedient. Darauf gehe ich in einem weitern Bericht näher ein und beginne meine Serie über die kölner Universität mit einigen Bildern von Rolf Gutbrods Hörsaalgebäude.


Sonntag, 16. Dezember 2012

TM Magazin: 2. Digital Fashion Day - Fashion goes E-Commerce im InterContinental Hotel, Düsseldorf

Online Fashion-Shop des Jahres 2012: Kauf Dich glücklich
Dank der Presse- und Lifestyle-Agentur Textschwester hatte ich kürzlich das Vergnügen, am 2. Digital Fashion Day (Link) teilzunehmen, der zum wiederholten Mal im InterContinental-Hotel in Düsseldorf stattfand. „Fashion goes E-Commerce” lautete das Thema der vom TM Magazin organisierten Veranstaltung, die über den Tag hinweg diverse Vorträge über Online-Marketing-Strategien bot und in der Prämierung des Online Fashion-Shops des Jahres 2012 gipfelte. Der Online-Shop an sich stand im Mittelpunkt der Vortragsreihe und es wurden dabei ganz unterschiedliche Aspekte behandelt, die zum erfolgreichen Gründen und betreiben einer Online-Plattform notwendig sind. 

Freitag, 14. Dezember 2012

Zwischenstopp in Düsseldorf Garath


HOTEL liest der Bahnreisende während er Garath passiert und wundert sich vielleicht darüber, die Inschrift gerade an einem so typischen Wohnhochhaus aus den Sechzigerjahren zu lesen. Beinahe „en bloc“ wurde der Düsseldorfer Stadtteil Garath damals ganz im Süden der Glitzermetropole angelegt und bietet, ganz im Gegensatz zu seinem Ruf als triste Vorstadt, eine Vielzahl interessanter Aspekte. Der Bahnreisende, der auf dem Weg nach Köln in Garath aussteigt, wird feststellen, dass es sich bei dem vermeintlichen Hotel tatsächlich gar nicht um ein groß angelegtes Ferienhotel im Costa-Brava-Look handelt (was, ehrlich gesagt, immer meine Assoziation war, man muß sich ja nur das Meer dazu denken und beachte bitte die Sonnenschirme auf den Balkonen). Das eigentliche Hotel liegt dagegen auf der Rückseite des Gebäudes, im daran angeschlossenen "Achteck". Ein energisches „Ha!“ stößt der Fan polygoner Grundrisse spätestens jetzt aus, man HAT es ja geahnt, in DIESEM Ambiente! Endlich wird es mal beim Namen genannt! Wir erinnern uns: die Flughäfen Tegel (Link) und Köln-Bonn (Link), das Sternhaus von HPP (Link), der Hörsaal 2E (Link), etc.  

Suite E bitte, wir sind zu dritt.
Folgt man nun weiter der Hauptachse der Fußgängerzone, die exakt im rechten Winkel zur Bahnstrecke liegt, läuft man direkt auf das nächste Highlight zu: die Wolfgang-Döring-Straße. Der Architekt Wolfgang Döring hat vor etwas mehr als zehn Jahren die drei U-Bahn-Haltestellen in Düsseldorf Oberbilk entworfen und dort seine Vorliebe für elegante geometrische Rasterungen bewiesen, in die sich alle funktionalen Elemente harmonisch einfügen (Link). Wo also sonst als im modernen Satelliten- stadtteil Garath sollte ihm eine Straße gewidmet sein? Der architektonische Höhepunkt Garaths liegt jedoch in Gottfried Böhms Altenwohnheim St. Hildegardis mit der dazugehörigen St.- Matthäus-Kirche. Auf das Thema Gottfried Böhm werde ich demnächst noch einmal intensiver eingehen, dann komme ich natürlich auf Garath zurück. 

Samstag, 8. Dezember 2012

Staatstrauer: Zum Tode Oscar Niemeyers


Das, wovor ich nun jahrelang Angst hatte, ist am Mittwochabend eingetreten: Oscar Niemeyer ist gestorben. Daß Niemeyer ein großer Architekt war, steht außer Frage, er war aber auch einer der wenigen Künstler, die nicht nur große Visionen hatten, er war auch in der Lage, sie in die Realität umzusetzen. Einen Regierungspräsidenten wie Juscelino Kubitschek, der euphorisch an eine moderne Zukunft des Landes glaubt, hat nicht jeder in seinem Team. Mehr noch: Niemeyer gelang es nicht nur, seine groß angelegten Ideen zu verwirklichen, er lebte auch lange genug, um sein Werk zu genießen. In wenigen Tagen hätte er seinen 105. Geburtstag gefeiert. 

Yasemin Dincer in "Dimmi dove vanno", 2010
Oft sah man in Reportagen, wie Niemeyer in seinem Atelier an der Copacabana  am Schreibtisch saß, mit Blick auf den Strand das Verhältnis zwischen Architektur und Landschaft erläuterte und dazu mit einer dicken schwarzen Linie ein futuristisches Gebäude oder eine leichtbekleidete Badende skizzierte. Man kann sich vorstellen, daß Niemeyers Weigerung den Zeichenstift aus der Hand zu legen in Verbindung mit der Aussicht auf die brasilianische Küste und dem entsprechenden Klima dazu beigetragen haben, daß der Architekt scheinbar das ewige Leben hatte. Man hat das typische Bild vor Augen, wie er die Linien seiner Gebäude direkt von den Kurven der Mädchen ableitete, die vor seinem Bürofenster in der Sonne lagen, was er mit Aussagen wie „Form follows feminine“ zudem untermauerte. Dennoch war es ihm ein ernstes Anliegen, das Phantasievolle, Barocke, Opulente mit dem Technischen zu verbinden. Tatsächlich fand man in Europa in den Vierzigerjahren Niemeyers Freizeitgebäude für die Satellitenstadt Pampulha schlichtweg zu verspielt und es folgten lange Auseinandersetzungen zwischen Niemeyer und seinem großem Vorbild LeCorbusier. Eine noch größere Abstraktion der Formen waren die Folge und eine noch größere Dimensionierung der Baukörper, und dank Kubitscheks unbedingtem Willen zur Modernisierung des Landes schließlich der Bau Brasilias.

Niemeyer hat Formen geschaffen, die niemals aus der Mode geraten sind. Das Prinzip des Gesamtkunstwerkts hat er nicht nur auf einzelne Bauten angewendet sondern von Anfang an auf gesamte Gebäudeensembles, von Pampulha zu Beginn seiner Karriere, über Brasilia bis hin zu den Kulturbauten in der Rio gegenübergelegenen Stadt Niteroi, die erst in den letzten Jahren entstanden.

"Je ne dis pas où", 2009
Als Reaktion auf Niemeyers Tod hat man in Brasilien nun eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen, aber auch ich habe einen meiner persönlichen Helden verloren. Zwei meiner Videos spielen in seinen Gebäuden und ich werde es nie vergessen, wie ich vor einigen Jahren in Paris in Niemeyers kommunistischen Kuppelsaal trat, das Licht einschaltete und die Neonlampen hinter den tausenden weißen Schuppen der Decke klack-klack-klack nacheinander ansprangen und die unterirdische Halbkugel in ein überirdisches Gleißen tauchten. Aus dieser Situation entstand das Video „Je ne dis pas où“ (Link), dem etwas später „Dimmi dove vanno“ (Link) folgte, in dem einige Szenen in Niemeyers „Superquadra“ im berliner Hansaviertel spielen. Wer Brasilia noch einmal im Zustand kurz nach der Einweihung in den frühen Sechzigerjahren erleben möchte, dem empfehle ich wie immer den Film „L’Homme de Rio“ (Link).

Screenshot aus "Dimmi dove vanno": abgelenkt von Niemeyers Gebäude im Hansaviertel verliert die Darstellerin nun endlich ihren Verfolgungsauftrag aus den Augen

Samstag, 1. Dezember 2012

Weltraumarchitektin Dr. Barbara Imhof: Die Stadt als Raumschiff / Max Grüter: Kosmonautenherz - Space Program in der Kunstakademie Düsseldorf und im Malkasten


Start in der Kunstakademie Düsseldorf
Über Weltraumarchitektur habe ich hier schon oft berichtet, wenn man mal an das Futuro (Link), die Chemosphere (Link), das Colani-Ufo (Link) und den Spodek (Link) denkt. Flugfähig sind all diese Objekte allerdings nur in unserer Phantasie. Mit echter Weltraumrauarchitektur, die einige tausend Kilometer über uns im All schwebt, kommen dagegen nur die wenigsten von uns in Berührung. So war ich natürlich begeistert, durch den Vortag von Frau Dr. Barbara Imhof in der Kunstakademie Düsseldorf zu erfahren, nach welchen Kriterien Raumstationen und Mondmobile entworfen werden, die jenseits von Science-Fiction-Ideen wirklich funktionieren müssen. Dr. Barbara Imhof ist als Architektin bei Liquifer (Link) tätig, einem Unternehmen, das in der Zusammenarbeit mit  beispielsweise der NASA oder der ESA Möglichkeiten des Zusammenlebens in Raumstationen und auf der Erde erforscht und dazu Lösungen entwickelt.
Fortsetzung in der Jacobivilla im Malkasten
Ausgangspunkt des Vortrags war das Leben in den ständig wachsenden Megacities wie z.B. Bombay, wobei Frau Dr. Imhof diverse Parallelen zwischen der Stadt im Allgemeinen und der Raumstation zieht. Beispielsweise geht es dabei um die Frage, wie man sich auf engstem Raum noch ein wenig Privatsphäre erhält und Mitglieder verschiedenster Kulturen miteinander zurechtkommen. Für den Rückzug in den eigenen Bereich entwickelte die Firma Liquifer z.B. modulartig aufstellbare Faltkammern, die in der Raumstation ISS im Einsatz sind (Link). Auch das Entwerfen von Schlafsäcken spielt bei Liquifer eine große Rolle, da man in der Schwerelosigkeit beim Einschlafen in eine typische Schlafhaltung sackt, die ganz spezielle Anforderungen an ein funktionales Design stellen.

Grafiken von Max Grüter in der Jacobivilla
Die Stadt vergleicht Frau Dr. Imhof aber auch mit der Raumstation, da es sich in beiden Fällen um mehr oder weniger geschlossene Systeme handelt, in denen im Idealfall alles wiederverwertet werden sollte bzw. eine möglichst große Multifunktionalität der einzelnen Elemente besteht.

In ihrem Vortrag ging die Referentin auch darauf ein, wie einerseits nach wie vor unsere gesamte Vorstellung von Weltraumdesign durch Kubricks Film „2001“ aus dem Jahr 1968 geprägt ist, sich die zeitgenössische Weltraumarchitektur nach wie vor an den Ideen von Visionären des frühen 20. Jahrhunderts wie Buckminster-Fuller und Friedrich Kiesler orientieren. „If you want to predict the future, you have to design it,” zitiert Dr. Imhof Buckminster-Fuller und betrachtet man sich Kieslers „Endless House“ mit seinen fließend ineinander übergehenden Räumen (Link) , so ist der Vergleich mit dem Schweben durch die schlauchartig miteinander verbundenen Elemente einer Raumstation durchaus nachvollziehbar.
Dank an Ellen und Oliver für das schnittige Foto von mir!
Das Prinzip des Auseinanderfaltens spielt nicht nur bei den oben genannten Rückzugsmodulen der ISS eine Rolle, sondern war von Anfang an ein wichtiges Element der Weltraumtechnik. So wurde schon das erste Mondfahrzeug von zwei Astronauten auf der Mondoberfläche mit Seilen manuell auseinander geklappt und auch das Unterwasser-Habitat, das Liquifer mit der von Jacques Cousteau gegründeten Firma Comex (Link) erarbeitet hat, faltet man am Meeresgrund auf und füllt die einzelnen Kammern des Gebäudes mit Wasser bzw. mit  Wasserpflanzen. Dabei ist das geplante Unterwasser-Habitat als Vorstufe zu einem Pendant im All gedacht und als Übungsmöglichkeit für Astronauten, da man Schwerelosigkeit unter Wasser gut simulieren kann. (Dabei fiel der Ausdruck „Simulationsastronaut“, den ich vielleicht in Zukunft öfter mal in ein Gespräch mit einfließen lassen sollte.)