MODE KUNST ARCHITEKTUR

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Sonntag, 22. Februar 2015

Wie ich weder Günther Uecker noch Trisha Donnelly gesehen habe. How not to be seen in Düsseldorf


Foto: Ellen Heyer
Es gibt Künstler, von denen man lange Zeit gar nicht genau wusste, ob sie überhaupt existieren. Und es gibt Künstler, die zwar schon seit Jahrzehnten den Status einer Legende haben, die aber scheinbar trotzdem auch in ihrer Heimatstadt noch immer nicht bei allen bekannt sind. Es gibt Künstler, die sich nicht fotografieren lassen und solche, die in die Kamera lächeln und Autogramme geben aber tatsächlich so viele Fans haben, dass die, die zu lange in der Schlange gestanden haben, den Meister genau um eine halbe Minute verpassen. Und dann gibt es auch noch die Art von Künstlerinnen, deren ausgeübte Kunstform das Leben selbst ist, die Eleganz und die Lebensfreude. Und diese Damen zeigen dann auch eine ausgesprochene Souveränität im Umgang mit Kameras. Am vorletzten Freitag bin ich tatsächlich ganz verschiedenen Formen des künstlerischen Ausdrucks begegnet. Oder eben gerade nicht begegnet.


Als ich mich noch recht früh am Abend sportlich auf das K20 zubewegte, wurde ich von einer riesigen Schlange ausgebremst, die sich am Eingang des Museums gebildet hatte. Offensichtlich hatte die ganze Stadt die gleiche Idee gehabt. Was findet denn da statt, fragte eine ältere Passantin eine andere Dame angesichts der  Schlange. Da wird eine Ausstellung eröffnet, war die Antwort.  Aha, fragte die Erste weiter, und ist das ein begabter Künstler? Aaaaahja. Und malt der? Oder was macht der? - Direkt über der Schlange bzw. der interessierten Passantin hing ein riesiges Plakat, das auf die Ausstellung und eben auch den Publikumsmagneten selbst hinwies: Günther Uecker. Auch mit 85 Jahren bot er offensichtlich noch Anlass zur Neuentdeckung.

Ein Foto des für seine Nagelbilder bekannten ZERO-Mitbegründers konnte ich an diesem Abend nicht machen und ich habe den Künstler auch nicht gesehen. Im einen Moment hatte er sich scheinbar noch, umzingelt von zahllosen Fans, die an ausgestreckten Armen ihre Smartphones in die Luft hielten, in einer Ecke des Foyers befunden, dann war er plötzlich verschwunden. Dafür traf ich beinahe gleichzeitig meine Freundin Ellen und die Düsseldorfer Modeikone Renathe Blumentrath (Link). Gerade noch vor einigen Tagen hatten wir nämlich alle drei bei der Modenschau von Thomas Rath unseren Entschluss verkündet, auf jeden Fall zur Uecker-Vernissage zu gehen. In Düsseldorf, und deswegen ist das einfach meine Stadt, gehen Mode und Kunst ja immer fließend ineinander über.

In dem Raum, in dem sich Ueckers Installation „Terrororchester“ befand, war es dem Titel der Arbeit entsprechend so laut, dass ich, die ich nun schon den zweiten Tag auf der Schuhmesse GDS verbracht hatte, sehr deutlich zu meiner Freundin sagte: “Bei Schuhen gibt es ja immer Streit“. Mit dieser populär-psychologischen Kernaussage, auf deren Basis man beim Privatfernsehen ganze Sendeformate gestalten würde, drehte sich ein Herr in einem dunkel-olivfarbenen Samtanzug abrupt um und schaute mich sehr streng an. Es war Richard David Precht. Dann verschwand er hinter einer vorhangartigen Textilarbeit von Günther Uecker.

Neben Ueckers mechanischem Orchester traf ich Renate Blumentrath wieder, zu der sich mittlerweile eine Dame mit einem spektakulären Philip-Treacy-Hut gesellt hatte. Die beiden erzählten mir, dass Uecker sich riesig über ihren glamourösen Auftritt gefreut hatte und auch darüber, dass sie seine Ausstellung durch ihre Outfits angemessen würdigten. Und sie ließen sich von Ellen und mir bereitwillig vor einer im Foyer zum Verkauf stehenden Uecker-Edition fotografieren. Das wiederum freute mich riesig. Schließlich fuhren wir weiter nach Oberkassel, um uns die Eröffnung der Trisha-Donnelly-Ausstellung bei Julia Stoschek anzuschauen. Trisha Donnelly hatte es durch geschickte Legendenbildung erreicht, dass ihre eigentliche Existenz tatsächlich über Jahre hinweg nicht ganz nachgewiesen werden konnte.


Nachdem ich mehrere Runden durch die Räume der ehemaligen Rahmenfabrik gedreht und mich intensiv in die sehr liquide wirkenden Projektionen vertieft hatte, sprach mich im Innenhof des Gebäudes ein Herr an. Ob ich etwa heimlich nicht genehmigte Presseaufnahmen gemacht hätte? Die Arbeiten, antwortete ich, seien so absolut ephemer, dass man sie so wie so nicht auf Fotos bannen könne. Die Künstlerin, erzählte er mir daraufhin, habe sich auch beim offiziellen Pressetermin nicht fotografieren lassen. Mich allerdings habe er doch am Vortag schon bei der Schuhmesse gesehen. Es stellte sich heraus, dass er sowohl bei der Messe Düsseldorf als auch in der Julia Stoschek Collection für alle Fragen der Sicherheit zuständig war, die er allerdings in beiden Fällen zu keiner Zeit durch mich gefährdet sah.

In Düsseldorf ist es vielleicht wirklich eine eigene Kunstform, nicht gesehen und nicht fotografiert zu werden. Ob sich dieses Konzept jedoch auf lange Sicht bei den Düsseldorfern selbst durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Anmerkung: How not to be seen (Link)